Lohnfortzahlungspflicht
Inhalt
Lohnfortzahlung bei kurzzeitigen Arbeitsabwesenheiten
- Mutterschaftsurlaub
- Urlaub des andern Elternteils im Allgemeinen
- Urlaub des andern Elternteils im Falle des Todes der Mutter
- Urlaub für die Betreuung von Angehörigen
- Urlaub für die Betreuung eines wegen Krankheit oder Unfall gesundheitlich schwer beeinträchtigten Kindes
- Adoptionsurlaub
- Lohnfortzahlungspflicht bei Krankheit ohne obligatorische Taggeldversicherung
- Definitionen der unterschiedlichen Fristen
- Gleichwertigkeit Krankentaggeld, welche Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers ablöst
- Folgen der Art der Lösung der Abgeltung der Lohnfortzahlungspflicht
- Lohnfortzahlung während der Wartefrist
- Skalen zur Lohnfortzahlung
- Lohnfortzahlungspflicht bei Unfall mit obligatorischer Taggeldversicherung gemäss UVG
- Taggeldanspruch bei Arbeitsunfähigkeit: Grundlagen und Subrogation (Legalzession)
- Zusammenspiel zwischen Lohnfortzahlungspflicht, Sperrfrist und Arbeitslosigkeit
- Kündigung nach Burnout: Keine Missbräuchlichkeit ohne Fürsorgepflichtverletzung
- Kein Schutz vor Kündigung zur Unzeit bei arbeitsplatzbezogenen Arbeitsunfähigkeit
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Lohnfortzahlung bei kurzzeitigen Arbeitsabwesenheiten
Mutterschaftsurlaub
Art. 329f OR
1 Nach der Niederkunft hat die Arbeitnehmerin Anspruch auf einen Mutterschaftsurlaub von mindestens 14 Wochen.
2 Bei Hospitalisierung des Neugeborenen verlängert sich der Mutterschaftsurlaub um die verlängerte Dauer der Ausrichtung der Mutterschaftsentschädigung.
3 Im Falle des Todes des andern Elternteils während der sechs Monate nach der Geburt des Kindes hat die Arbeitnehmerin Anspruch auf zwei Wochen zusätzlichen Urlaub; sie kann diesen Urlaub innert einer Rahmenfrist von sechs Monaten ab dem Tag nach dem Tod wochen- oder tageweise beziehen.
Urlaub des andern Elternteils im Allgemeinen
Art. 329g OR
1 Anspruch auf den Urlaub des andern Elternteils von zwei Wochen hat:
- der Arbeitnehmer, der im Zeitpunkt der Geburt des Kindes dessen rechtlicher Vater ist oder dies innerhalb der folgenden sechs Monate wird;
- die Arbeitnehmerin, die im Zeitpunkt der Geburt des Kindes der rechtliche andere Elternteil ist.
2 Der Urlaub muss innert der sechs Monate nach der Geburt des Kindes bezogen werden. Diese Frist steht während des Urlaubs nach Artikel 329gbis still.
3 Der Urlaub kann wochen- oder tageweise bezogen werden.
Urlaub des andern Elternteils im Falle des Todes der Mutter
OR 329gbis
1 Stirbt die Mutter am Tag der Niederkunft oder während der 14 Wochen danach, so hat der andere Elternteil Anspruch auf einen Urlaub von 14 Wochen; dieser Urlaub muss ab dem Tag nach dem Tod an aufeinanderfolgenden Tagen bezogen werden.
2 Der andere Elternteil hat Anspruch auf den Urlaub, wenn das Kindesverhältnis am Todestag begründet ist oder während der 14 Wochen danach begründet wird.
3 Bei Hospitalisierung des Neugeborenen nach Artikel 329f Absatz 2 verlängert sich der Urlaub nach Absatz 1 um die Dauer der Hospitalisierung, höchstens jedoch um acht Wochen.
Urlaub für die Betreuung von Angehörigen
Art. 329h OR
Die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer hat Anspruch auf bezahlten Urlaub für die Zeit, die zur Betreuung eines Familienmitglieds, der Lebenspartnerin oder des Lebenspartners mit gesundheitlicher Beeinträchtigung notwendig ist; der Urlaub beträgt jedoch höchstens drei Tage pro Ereignis und höchstens zehn Tage pro Jahr.
Urlaub für die Betreuung eines wegen Krankheit oder Unfall gesundheitlich schwer beeinträchtigten Kindes
Art. 329i OR
1 Hat die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer Anspruch auf eine Betreuungsentschädigung nach den Artikeln 16i -16m EOG, weil ihr oder sein Kind wegen Krankheit oder Unfall gesundheitlich schwer beeinträchtigt ist, so hat sie oder er Anspruch auf einen Betreuungsurlaub von höchstens 14 Wochen.
2 Der Betreuungsurlaub ist innerhalb einer Rahmenfrist von 18 Monaten zu beziehen. Die Rahmenfrist beginnt mit dem Tag, für den das erste Taggeld bezogen wird.
3 Sind beide Eltern Arbeitnehmende, so hat jeder Elternteil Anspruch auf einen Betreuungsurlaub von höchstens sieben Wochen. Sie können eine abweichende Aufteilung des Urlaubs wählen.
4 Der Urlaub kann am Stück oder tageweise bezogen werden.
5 Der Arbeitgeber ist über die Modalitäten des Urlaubsbezugs sowie über Änderungen unverzüglich zu informieren.
Adoptionsurlaub
Art. 329j OR
1 Nimmt die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer ein Kind zur Adoption auf, so hat sie oder er bei Erfüllen der Voraussetzungen gemäss Artikel 16t EOG Anspruch auf einen Adoptionsurlaub von zwei Wochen.
2 Der Adoptionsurlaub muss innerhalb des ersten Jahres nach Aufnahme des Kindes bezogen werden.
3 Er kann von einem Elternteil bezogen oder unter den Eltern aufgeteilt werden. Ein gleichzeitiger Bezug ist ausgeschlossen.
4 Er kann wochen- oder tageweise bezogen werden.
Krankheit
Lohnfortzahlungspflicht bei Krankheit ohne obligatorische Taggeldversicherung
Art. 324a OR: Grundsatz bei Verhinderung des Arbeitnehmers
1 Wird der Arbeitnehmer aus Gründen, die in seiner Person liegen, wie Krankheit, Unfall, Erfüllung gesetzlicher Pflichten oder Ausübung eines öffentlichen Amtes, ohne sein Verschulden an der Arbeitsleistung verhindert, so hat ihm der Arbeitgeber für eine beschränkte Zeit den darauf entfallenden Lohn zu entrichten, samt einer angemessenen Vergütung für ausfallenden Naturallohn, sofern das Arbeitsverhältnis mehr als drei Monate gedauert hat oder für mehr als drei Monate eingegangen ist.
2 Sind durch Abrede, Normalarbeitsvertrag oder Gesamtarbeitsvertrag nicht längere Zeitabschnitte bestimmt, so hat der Arbeitgeber im ersten Dienstjahr den Lohn für drei Wochen und nachher für eine angemessene längere Zeit zu entrichten, je nach der Dauer des Arbeitsverhältnisses und den besonderen Umständen.
3 Bei Schwangerschaft der Arbeitnehmerin hat der Arbeitgeber den Lohn im gleichen Umfang zu entrichten.
4 Durch schriftliche Abrede, Normalarbeitsvertrag oder Gesamtarbeitsvertrag kann eine von den vorstehenden Bestimmungen abweichende Regelung getroffen werden, wenn sie für den Arbeitnehmer mindestens gleichwertig ist.
Art. 324a Abs. 1 bis 3 OR sind gemäss Art. 362 OR relativ zwingende Bestimmungen: Durch Abrede, Normalarbeitsvertrag oder Gesamtarbeitsvertrag darf zu ungunsten der Arbeitnehmenden nicht abgewichen werden; Verbesserungen sind möglich.
Externer Link: Alle Gesamtarbeitsverträge nach Branchen
Pdf-Datei: BGE 131 lll 623 vom 30.09.2005 zu Art. 324a OR (in der Literatur umstritten)
Definitionen der unterschiedlichen Fristen
Karenzfrist gemäss Art. 324a Abs. 1 OR
- Hat das Arbeitsverhältnis nocht nicht mehr als drei Monate (z. B. während der Probezeit) gedauert oder wurde das Arbeitsverhältnis für weniger als drei Monate eingegangen (befristeter Arbeitsvertrag), muss der Arbeitgeber keine Leistungen bei unverschuldeter Verhinderung erbringen. Massgebend sind jedoch die Bestimmungen konkreter Abreden bzw. des massgebenden Normal- oder Gesamtarbeitsvertrages.
Karenztage
- Karenztage (1 - 3 Tage) sind im Rahmen einer gleichwertigen Lösung im Sinne von Art. 324a Abs. 4 OR zulässig. Massgebend sind die Bestimmungen konkreter Abreden bzw. des massgebenden Normal- oder Gesamtarbeitsvertrages.
Beispiel gemäss Anstellungsreglement: Arbeitsverhinderung bei Krankheit: Die Entschädigung beginnt
- im ersten Dienstjahr ab dem vierten Absenztag
- im zweiten Dienstjahr ab dem dritten Absenztag
- im dritten Dienstjahr ab dem zweiten Absenztag
- ab dem vierten Dienstjahr ab dem ersten Absenztag
und beträgt 80 % des versicherten Lohnes. Im Krankheitsfall wird die Entschädigung während maximal 720 Tagen ausgerichtet.
Wartefrist der Krankentaggeldversicherung
- Dauer, für welche ab Beginn der Arbeitsunfähigkeit der Krankentaggeldversicherer keine Taggeldleistungen bezahlt.
- Beachten Sie: Lohnfortzahlung während der Wartefrist
Gleichwertigkeit Krankentaggeld, welche Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers ablöst
Urteil 4C.275/2002 vom 05.12.2002 E. 2.1 (Volltext)
Wird der Arbeitnehmer aus Gründen, die in seiner Person liegen, wie namentlich Krankheit, ohne sein Verschulden an der Arbeitsleistung verhindert, so hat ihm der Arbeitgeber für eine beschränkte Zeit den darauf entfallenden Lohn zu entrichten, sofern das Arbeitsverhältnis mehr als drei Monate gedauert hat oder für mehr als drei Monate eingegangen ist (Art. 324a Abs. 1 OR).
Durch schriftliche Abrede, Normalarbeitsvertrag oder Gesamtarbeitsvertrag kann eine davon abweichende Regelung getroffen werden, wenn sie für den Arbeitnehmer mindestens gleichwertig ist (Art. 324a Abs. 4 OR).
Nach herrschender Lehre ist eine Regelung jedenfalls dann gleichwertig, wenn sie bei hälftiger Prämienteilung Taggelder von 80% des Lohnes während maximal 720 innert 900 Tagen ausrichtet.
(Urteil 4A/228/2017 vom 23.03.2018 E. 2 / BGE 96 ll 133 vom 20.05.1970)
Nicht die versicherungstechnische Wartefrist des Krankentaggeldversicherers, sondern die Karenzfrist im Arbeitsrecht hat Einfluss auf die Gleichwertigkeit. Gemäss Bundesgericht ist eine Karenzfrist von 3 Tagen gleichwertig, während z. B. 7 Tage keine gleichwertige Regelung mehr darstellt.
Folgen der Art der Lösung der Abgeltung der Lohnfortzahlungspflicht
Gleichwertigkeit der Krankentaggeldversicherung ist als zwingende Voraussetzung gegeben:
- Wird die Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers durch eine Krankentaggeldversicherung gelöst/ersetzt, ist der Arbeitgeber grundsätzlich - mit Ausnahme der Lohnfortzahlung während der Wartefrist des Krankentaggeldversicherers - von jeder weiteren Lohnzahlung befreit. Dies gilt auch, wenn der Krankentaggeldversicherung die Taggelder trotz Arbeitsunfähigkeit in der angestammten Tätigkeit einstellt - z. B. infolge zumutbarer Arbeitsfähigkeit in einer Verweistätigkeit nach einer Übergangsfrist von 3 bis 5 Monaten (Schadenminderungspflicht). Weil in dieser Konstellation der Arbeitgeber auch keine Lohnzahlung schuldet, kann sich der Arbeitnehmer für seine Ansprüche direkt an den Versicherer wenden: Direktes Forderungsrecht gemäss Art. 95a VVG.
Gleichwertigkeit der Krankentaggeldversicherung liegt nicht vor:
- In diesem Fall bleibt die Leistungspflicht des Arbeitgebers gemäss Art. 324a 1 bis 3 OR vollumfänglich bestehen. Leistungen des Krankentaggeldversicherers sind ohne rechtliche Entbindungswirkung des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer als mögliche Verbesserungen des gesetzlichen Mindesleistungen zu verstehen.
Lohnfortzahlung während der Wartefrist des Krankentaggeldversicherers
Die Krankentaggeldversicherung ist im Gegensatz zur Unfallversicherung nicht obligatorisch. Trotzdem besteht beim Ausfall eines Arbeitnehmers infolge Krankheit die Pflicht der Lohnfortzahlung (Art. 324a OR). Dies gilt auf für die Dauer einer Wartefrist (z. B. 60 Tage).
Die Lohnfortzahlung während der Wartefrist des Krankenttaggeldversicherers ist durch den Arbeitgeber zu 100 % des AHV-Lohnes zu gewähren; dies mit Ausnahme der Karenzfrist gemäss Art. 324a Abs. 1 OR oder möglicher Karenztage. Bestimmungen konkreter Abreden bzw. der massgebende Normal- oder Gesamtarbeitsvertrag können jedoch auch eine Reduktion auf 80 % des AHV-Lohnes vorsehen.
Skalen zur Lohnfortzahlung
Das Recht auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall hängt vom Kanton und von der Zahl der Dienstjahre ab.
Quelle: SECO
Lohnfortzahlung | |
Berner Skala (BE, AG, OW, SG, West-CH) | |
1. Dienstjahr | 3 Wochen |
2. Dienstjahr | 1 Monat |
3. und 4. Dienstjahr | 2 Monate |
5. bis 9. Dienstjahr | 3 Monate |
10. und 11. Dienstjahr | 4 Monate |
Basler Skala (BS, BL) | |
1. Dienstjahr | 3 Wochen |
2. und 3. Dienstjahr | 2 Monate |
4. und 10. Dienstjahr | 3 Monate |
11. Dienstjahr | 4 Monate |
Zürcher Skala (ZH, GR) | |
1. Dienstjahr | 3 Wochen |
2. Dienstjahr | 8 Wochen |
3. Dienstjahr | 9 Wochen |
4. Dienstjahr | 10 Wochen |
5. Dienstjahr | 11 Wochen |
6. Dienstjahr | 12 Wochen |
7. Dienstjahr | 13 Wochen |
8. Dienstjahr | 14 Wochen |
9. Dienstjahr | 15 Wochen |
10. Dienstjahr | 16 Wochen |
11. Dienstjahr | 17 Wochen |
Unfall
Lohnfortzahlungspflicht bei Unfall mit obligatorischer Taggeldversicherung gemäss UVG
Art. 324b OR: Ausnahmen bei Verhinderung des Arbeitnehmers
1 Ist der Arbeitnehmer auf Grund gesetzlicher Vorschrift gegen die wirtschaftlichen Folgen unverschuldeter Arbeitsverhinderung aus Gründen, die in seiner Person liegen, obligatorisch versichert, so hat der Arbeitgeber den Lohn nicht zu entrichten, wenn die für die beschränkte Zeit geschuldeten Versicherungsleistungen mindestens vier Fünftel des darauf entfallenden Lohnes decken.
2 Sind die Versicherungsleistungen geringer, so hat der Arbeitgeber die Differenz zwischen diesen und vier Fünfteln des Lohnes zu entrichten.
3 Werden die Versicherungsleistungen erst nach einer Wartezeit gewährt, so hat der Arbeitgeber für diese Zeit mindestens vier Fünftel des Lohnes zu entrichten.
Taggeldanspruch bei Arbeitsunfähigkeit: Grundlagen und Subrogation (Legalzession)
Urteil 8C_241/2019 vom 08.07.2019 E. 5.1 (Volltext)
Gesetzliche Grundlage für die Auszahlung von Taggeldern an Arbeitgeber:
Gemäss Art. 19 Abs. 2 ATSG kommen Taggelder und ähnliche Entschädigungen in dem Ausmass dem Arbeitgeber zu, als er der versicherten Person trotz der Taggeldberechtigung Lohn zahlt. In Ergänzung zu dieser Regel werden die obligatorischen Unfallversicherer in Art. 49 UVG ermächtigt, die Auszahlung der Taggelder dem Arbeitgeber zu übertragen.
Begrenzung der Drittauszahlung:
Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber eine Grundlage für die Drittauszahlung von Taggeldern an die Arbeitgeber statt an den Versicherten geschaffen, diese aber in der Höhe auf das Ausmass der Lohnzahlung der Arbeitgeber beschränkt.
Verknüpfung mit der Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers:
Die Bestimmung von Art. 19 Abs. 2 ATSG knüpft damit an die Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers bei unverschuldeter Verhinderung des Arbeitnehmers an der Arbeitsleistung (Art. 324a Abs. 1 OR) an, die von Gesetzes wegen während einer von der Dauer des Arbeitsverhältnisses abhängigen beschränkten Zeit (Art. 324a Abs. 2 OR) oder während einer individual-, normal- oder gesamtarbeitsvertraglich vereinbarten längeren Zeitdauer (Art. 324a Abs. 4 OR) besteht.
Umfang des Taggeldanspruchs des Arbeitgebers:
Im Umfang der vom Arbeitgeber tatsächlich geleisteten Lohnfortzahlungen stehen ihm die für die versicherte Arbeitsunfähigkeit geschuldeten Taggeldleistungen zu.
Rechtliche Einordnung als Subrogation:
Art. 19 Abs. 2 ATSG beinhaltet daher eine Subrogation (Legalzession) des Taggeldanspruches vom Versicherten auf den Arbeitgeber in dem Umfang, als dieser Lohnfortzahlungen für die versicherte Arbeitsunfähigkeit leistet (in BGE 133 V 196 nicht publizierte E. 2.3 des Urteils U 266/06 vom 28. Dezember 2006).
Kündigung
Zusammenspiel zwischen Lohnfortzahlungspflicht, Sperrfrist und Arbeitslosigkeit
Art. 336c OR: Kündigung zur Unzeit
a. durch den Arbeitgeber
1 Nach Ablauf der Probezeit darf der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis nicht kündigen:
- während die andere Partei schweizerischen obligatorischen Militär- oder Schutzdienst oder schweizerischen Zivildienst leistet, sowie, sofern die Dienstleistung mehr als elf Tage dauert, während vier Wochen vorher und nachher;
- während der Arbeitnehmer ohne eigenes Verschulden durch Krankheit oder durch Unfall ganz oder teilweise an der Arbeitsleistung verhindert ist, und zwar im ersten Dienstjahr während 30 Tagen, ab zweitem bis und mit fünftem Dienstjahr während 90 Tagen und ab sechstem Dienstjahr während 180 Tagen;
- während der Schwangerschaft und in den 16 Wochen nach der Niederkunft einer Arbeitnehmerin;
- während der Arbeitnehmer mit Zustimmung des Arbeitgebers an einer von der zuständigen Bundesbehörde angeordneten Dienstleistung für eine Hilfsaktion im Ausland teilnimmt.
2 Die Kündigung, die während einer der in Absatz 1 festgesetzten Sperrfristen erklärt wird, ist nichtig; ist dagegen die Kündigung vor Beginn einer solchen Frist erfolgt, aber die Kündigungsfrist bis dahin noch nicht abgelaufen, so wird deren Ablauf unterbrochen und erst nach Beendigung der Sperrfrist fortgesetzt.
3 Gilt für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Endtermin, wie das Ende eines Monats oder einer Arbeitswoche, und fällt dieser nicht mit dem Ende der fortgesetzten Kündigungsfrist zusammen, so verlängert sich diese bis zum nächstfolgenden Endtermin.
Kündigung nach Burnout: Keine Missbräuchlichkeit ohne Fürsorgepflichtverletzung
Urteil 4A_295/2024 vom 20.08.2024 E. 3.1.2 (Volltext)
Es ist grundsätzlich zulässig, jemandem wegen einer die Arbeitsleistung beeinträchtigenden Krankheit zu kündigen, jedenfalls soweit die Sperrfrist nach Art. 336c Abs. 1 lit. b OR abgelaufen ist (BGE 136 III 510 E. 4.4; 123 III 246 E. 5).
Dagegen läge eine nach Art. 336 OR verpönte Treuwidrigkeit vor, wenn die krankheitsbedingte Beeinträchtigung der Verletzung einer dem Arbeitgeber obliegenden Fürsorgepflicht zuzuschreiben wäre (Urteile 4A_293/2019 vom 22. Oktober 2019 E. 3.5.1 mit Hinweisen).
Eine Kündigung wegen andauernder Krankheit ist nur in sehr schwerwiegenden Fällen ("krasse Fälle") als missbräuchlich im Sinne von Art. 336 Abs. 1 lit. a OR zu qualifizieren (BGE 136 III 513 E. 2.3; 132 III 115 E. 2.1; 131 III 535 E. 4.2).
Dies kann nur dann der Fall sein, wenn aus der Beweisführung eindeutig hervorgeht, dass der Arbeitgeber die Krankheit des Arbeitnehmers direkt verursacht hat, z.B. wenn er es unterlassen hat, Massnahmen zum Schutz des Arbeitnehmers wie in Art. 328 Abs. 2 OR vorgesehen zu treffen und der Arbeitnehmer deshalb krank wurde. Wenn die Situation diesen Schweregrad nicht erreicht, wie es bei Arbeitsunfähigkeit aufgrund einer psychischen Krankheit häufig der Fall ist, ist die Kündigung nicht missbräuchlich. Denn Schwierigkeiten am Arbeitsplatz können häufig zu Depressionen oder anderen psychischen Störungen führen, die keine direkt durch den Arbeitgeber verursachte Krankheit darstellen (BGE 150 III 78 E. 3.1.3 mit Hinweisen).
Kein Schutz vor Kündigung zur Unzeit bei arbeitsplatzbezogenen Arbeitsunfähigkeit
Urteil 1C_595/2023 vom 26.03.2024 E. 5.1 (Volltext): Beispiele wie Mobbing und Burnout
Art. 336c OR ist im Falle einer Krankheit nur dann nicht anwendbar, wenn sich die Gesundheitsbeeinträchtigung als so unbedeutend erweist, dass sie die Besetzung eines neuen Arbeitsplatzes nicht verhindern kann (BGE 128 III 212 Erw. 2c; zuletzt Urteil 4A_587/2020 vom 28. Mai 2021 E. 3.1.1), was von der Rechtsprechung angenommen wird, wenn die Arbeitsunfähigkeit auf den Arbeitsplatz beschränkt ist (Urteil 4A_391/2016 vom 8. November 2016 E. 5).
Diese Rechtsprechung wird auf den öffentlichen Dienst unter dem Begriff der „arbeitsplatzbezogenen Arbeitsunfähigkeit“ angewandt (Urteil 8C_451/2013 vom 20. November 2013 E. 6.3).