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Freizügigkeitsabkommen vom 01.01.2006 unter den Krankentaggeldversicherern nach VVG

Freizügigkeitsabkommen

Ingress

1. Das vorliegende Abkommen bezweckt die Regelung des Übertritts einer einzelnen versicherten Person von einer Kollektivkrankentaggeldversicherung in die andere oder des Übergangs von Versichertenbeständen in den Kollektivkrankentaggeldversicherungen zwischen den Versicherern, die diesem Abkommen beigetreten sind.

 

2. Als versicherte Personen gelten Arbeitnehmende gemäss Art. 1a UVG (keine Selbständigerwerbenden).

 

3 Mit diesem Abkommen sollen hohe administrative Aufwendungen für die Versicherer und unzumutbare Härten für die versicherten Personen und Versicherungsnehmer durch Risikoselektion vermieden werden.

 

4. Der SVV hat den Inhalt dieses Abkommens mit santésuisse besprochen und wird auch in der Zukunft die Meinung von santésuisse bei der Weiterentwicklung des Abkommens berücksichtigen.

Beitrittsberechtigte Versicherer

Art. 1 FZAKV

 

1. Das Abkommen ist anwendbar auf diejenigen Versicherer, welche ihm gemäss Anhang 2 beigetreten sind (die aktuelle Liste wird auf der SVV-Homepage sowie auf der Homepage von santésuisse publiziert. Das Recht zum Beitritt haben:

 

2. Privatversicherer, welche Taggeldversicherungen nach dem Versicherungsvertragsgesetz (VVG) anbieten, und dem Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) unterstehen sowie Krankenversicherer, welche über eine Bewilligung des Eidgenössischen Departementes des Innern nach Art. 12 KVG zur Durchführung der sozialen Krankenversicherung verfügen. Der Beitritt ist dem Sekretariat des SVV schriftlich zu erklären.

Anwendungsbereich

Art. 2 FZAKV

 

1. Das Abkommen findet auf Kollektivtaggeldverträge nach VVG und KVG (gilt nicht für KVG-Fälle unter Krankenversicherern) in folgenden Fällen Anwendung:

  1. Beim Übertritt einer einzelnen versicherten Person aus einer Kollektivtaggeldversicherung in eine andere Kollektivtaggeldversicherung, wenn damit ein Wechsel unter beigetretenen Versicherern gemäss Art. 1 dieses Abkommens verbunden ist. Das Abkommen findet auch Anwendung, wenn der Wechsel zum neuen Versicherer nicht nahtlos, sondern innerhalb einer vertragslosen Phase von max. 3 Monaten erfolgt.
  2. Bei der Ablösung eines Kollektivtaggeldvertrages, wenn damit ein Wechsel unter beigetretenen Versicherern gemäss Art. 1 dieses Abkommens verbunden ist. Das Abkommen findet auch Anwendung, wenn der Wechsel zum neuen Versicherer nicht nahtlos, sondern innerhalb einer vertragslosen Phase von max. 6 Monaten erfolgt.
  3. Beim Übertritt einer einzelnen versicherten Person aus einer Einzeltaggeldversicherung zu einer Kollektivtaggeldversicherung, sofern die versicherte Person ursprünglich aufgrund eines Übertrittsrechts von einer Kollektivtaggeldversicherung in die Einzeltaggeldversicherung gewechselt hat. Der Wechsel muss lückenlos erfolgen.

2. Die Kollektivtaggeldversicherung im Sinne dieses Abkommens deckt das Risiko Krankheit und Schwangerschaftskomplikationen ab. Leistungen bei Niederkunft (Geburtengeld) sind ausdrücklich ausgeschlossen.

Übertrittsbedingungen

Art. 3 FZAKV

 

1. In den in Art. 2 genannten Fällen verpflichten sich die beigetretenen Versicherer, sämtlichen bisher versicherten Personen den beim neuen Versicherer vorgesehenen Versicherungsschutz zu gewähren.

 

2. Der neue Versicherer darf keine neuen Versicherungsvorbehalte anbringen, soweit er nicht ein höheres Taggeld oder eine längere Leistungsdauer oder eine kürzere Wartefrist versichert. Versicherungsvorbehalte bzw. Ausschlüsse früherer Versicherer dürfen vom neuen Versicherer weitergeführt werden.

 

3. Sieht der neue Versicherer eine Altersabstufung nach Eintrittsalter vor, so wird das zuletzt beim Vorversicherer gültige Eintrittsalter übernommen, jedoch unter Berücksichtigung der altersbedingten Tarifanpassungen, die bereits stattgefunden haben.

 

4. Beim Übertritt einer einzelnen im AHV-Alter stehenden versicherten Person gelten die Übertrittsbedingungen gemäss Abs. 1 nur, wenn sie im Zeitpunkt des Beitritts beim neuen Versicherer voll arbeitsfähig ist und die Versicherung solcher Personen gemäss den aktuellen AVB des neuen Versicherers noch möglich ist.

Übertrittsbedingungen bei laufenden Schadenfällen

Art. 4 FZAKV (Leitfaden zur Auslegung von Art. 4 FZAKV)

 

1. Nicht voll arbeitsfähige Personen müssen - entgegen allfällig anderslautender Be­stimmungen in den massgebenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) - im Umfang der bestehenden Arbeitsfähigkeit beim neuen Versicherer weiterversichert werden, sofern sie in einem arbeitsvertraglichen Rahmen angestellt werden.

 

2. Laufende Schadenfälle gehen ab Datum des Versichererwechsels im Umfange der beim bisherigen Versicherer vorgesehenen Höhe des Taggeldes, der Wartefrist und der Leistungsdauer zu Lasten des neuen Versicherers, sofern der Arbeitnehmer beim neuen bzw. bisherigen Arbeitgeber im gleichen Umfang angestellt ist. Bei einer Anstellung im Rahmen der Restarbeitsfähigkeit, übernimmt der bisherige Versicherer den laufenden Schadenfall.

 

3. Die Prämien sind vom Übertrittsdatum an beim neuen Versicherer geschuldet.

 

4. Hat ein Versicherter vor seinem Übertritt bei seinem bisherigen Versicherer Taggeldleistungen bezogen, so werden diese vom neuen Versicherer an die Leistungsdauer angerechnet, sofern es sich um einen Rückfall gemäss den AVB des bisherigen Versicherers oder um einen laufenden Schadenfall handelt.

Urteil 4A_327/2016 (BGE 142 lll 767) vom 27.09.2016 E. 7.2 (Volltext)

 

Art. 9 VVG wird durch die Nachhaftungsleistung gemäss Art. 4 Abs. 2 und 4 FZAKV nicht verletzt.

 

Art. 4 Abs. 2 FZAKV, wonach bei einem Versichererwechsel der neue Versicherer laufende Schadenfälle nach den Bedingungen des bisherigen Versicherungsvertrages übernehmen muss, verstösst nicht gegen das Verbot der Rückwärtsversicherung.

 

Bestätigung der Rechtsprechung: Urteil 9C_109/2020 vom 17.11.2020 E. 7.4.2​​​​​​​

Geltendmachung und Abwicklung des Freizügigkeitsanspruches

Art. 5 FZAKV

 

1. Die Übertrittsbedingungen gemäss diesem Abkommen sind vom neuen Versicherer ohne besonderen Antrag des Versicherungsnehmers oder der übertretenden versicherten Personen einzuräumen.

 

2. Der neue Versicherer kann nach Vertragsübergang vom bisherigen Versicherer Auskunft über Umfang und Dauer bereits bezogener Leistungen und über bestehende Vorbehalte verlangen. Der bisherige Versicherer ist zur Auskunftserteilung innert 10 Arbeitstagen verpflichtet.

Auskunftspflicht bei Offerten

Art. 6 FZAKV

 

1. Der zur Offertabgabe eingeladene Versicherer kann beim bisherigen Versicherer Angaben über Vertragsdauer, Deckungsumfang, abgerechnete Lohnsummen und Schadenerfahrung, sowie laufende Schadenfälle und Vorbehalte einholen. Dabei richtet sich der Umfang der Anfrage nach Anhang 1.

 

2. Der angefragte Versicherer ist zur Auskunftserteilung innert 10 Arbeitstagen nach Eingang der Anfrage verpflichtet.

 

3. Der angefragte Versicherer ist verpflichtet, die Auskunft nach bestem Wissen und Gewissen zu erteilen. Erteilt der bisherige Versicherer eine falsche Auskunft - insbesondere betreffend bereits bezahlte Leistungen und Anzahl pendente Fälle - hat er die davon betroffenen Schadenfälle weiterhin selber zu begleichen, sofern der neue Versicherer die korrekten Auskünfte nicht anderweitig (z.B. im Antrag) erhalten hat, bzw. bei korrektem Underwriting hätte erhalten können. Massgebend ist der Wissenstand zur Zeit der Auskunftserteilung.

 

4. Änderungen, die sich zeitlich zwischen der Auskunftserteilung des bisherigen Versicherers und dem Vertragsbeginn beim neuen Versicherer ergeben, müssen vom bisherigen Versicherer auf Anfrage mitgeteilt werden. Diese Auskünfte unterliegen ebenfalls den Bestimmungen von Art. 6 Abs. 3.

Streitigkeiten betreffend die Anwendung des Abkommens und Rechtsweg

Art. 7 FZAKV 

 

1. Streitfälle betreffend die Anwendung des vorliegenden Abkommens zwischen Privatversicherern, welche dem VAG unterstehen, werden durch die Kommission für Recht und Sozialpolitik (RSK) des SVV begutachtet.

 

2. Streitfälle betreffend die Anwendung des vorliegenden Abkommens zwischen Krankenversicherern, welche über eine Durchführungsbewilligung des EDI nach Art. 12 KVG verfügen, werden durch eine von santésuisse eingesetzte Kommission begutachtet.

 

3. Streitfälle betreffend die Anwendung des vorliegenden Abkommens zwischen einem Privatversicherer, welcher dem VAG untersteht und einem Krankenversicherer, welcher eine Durchführungsbewilligung des EDI nach Art. 12 KVG verfügt, werden durch eine Kommission begutachtet, welche paritätisch von santésuisse und dem SVV gebildet wird.

 

4. Die in Absatz 1 bis Absatz 3 erwähnten Kommissionen geben eine schriftliche Empfehlung an die involvierten Versicherer (Parteien) ab.

 

5 Das Recht zur Anrufung der in Absatz 1 bis Absatz 3 erwähnten Kommissionen steht dem bisherigen und dem übernehmenden Versicherer zu.

Schlussbestimmungen

Art. 8 FZAKV  

 

1. Das Abkommen tritt am 1. Januar 2006 in Kraft und ersetzt für das Verhältnis zwischen Versicherern, die diesem Abkommen beigetreten sind, das Freizügigkeitsabkommen zwischen dem SVV und santésuisse vom 19.2.2002/25.2.2002. Es gilt für Übertrittsfälle gemäss Art. 2, welche sich nach dem 1. Januar 2006 ereignen.

 

2. Wünscht ein einzelner Versicherer vom Abkommen Abstand zu nehmen, kann er seinen Rücktritt auf Ende eines Kalenderjahres unter Beachtung einer Frist von zwölf Monaten durch eingeschriebenen Brief an das Sekretariat des SVV erklären. Für den zurücktretenden Versicherer bleibt das Abkommen anwendbar auf sämtliche Übertrittsfälle, die sich vor dem betreffenden Jahresende ereignen, auch wenn die Erledigung erst nach dem vorgenannten Zeitpunkt erfolgt.