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Unfallbegriff > Stolpern / Fehltritte / Misstritte / Wegrutschen / Treppe / Treppensteigen

Rechtsprechung in chronologischer Reihenfolge

Auf feuchtem Waldboden ausgerutscht

Urteil 8C_17/2024 vom 09.07.2024 E. 4 (Volltext): Unfallbegriff erfüllt

 

Sachverhalt:

  • Der Waldboden ist unter den Blättern feucht gewesen. In einem leicht abfallenden Waldstück ist die Versicherte ausgerutscht und hat sich am rechten Bein verletzt.  

Kein Unterschied zwischen einem Fehltritt oder einem Ausrutschen:

  • Die Unterschiede, dass das eine Mal von einem Fehltritt, das andere Mal von einem Ausrutschen auf nassem Untergrund gesprochen wird, machen die Aussagen nicht unglaubwürdig. Mit einem Ausrutschen können nämlich auch Fehltritte verbunden sein.

Unfallbegriff erfüllt:

  • Mit dem Fehltritt bzw. Ausrutschen der Versicherten auf dem nassen Waldboden mit Verdrehung des rechten Knies wurde der natürliche Ablauf ihrer Körperbewegung programmwidrig gestört. Das Ereignis ist somit als Unfall im Sinne von Art. 4 ATSG zu qualifizieren.

Medizinische Feststellungen ohne rechtliche Bedeutung:

  • An diesem Ergebnis ändert nichts, dass im Bericht des Spitals B. bloss vermerkt wurde, die Versicherte habe beim Spazieren im Wald ein Distorsionstrauma des rechten Kniegelenks erlitten, womit laut der Vorinstanz die schädigende Einwirkung eines ungewöhnlichen äusseren Faktors nicht belegt sei. Denn in diesem Bericht wurde nicht näher zur Bedeutung des Unfallhergangs für die Beurteilung des natürlichen Kausalzusammenhangs Stellung genommen. Hiervon abgesehen kommt medizinischen Feststellungen im Rahmen der Beweiswürdigung für oder gegen das Vorliegen eines unfallmässigen Geschehens in der Regel nur die Bedeutung von Indizien zu. Auch deckt sich der medizinische Begriff des Traumas nicht mit dem versicherungsrechtlichen Unfallbegriff im Sinne von Art. 4 ATSG. 

Misstritt auf einer Treppe

Urteil 8C_668/2023 vom 18.03.2024 (Volltext): Unfallbegriff erfüllt

 

Der Versicherte verletzte er sich bei einem Misstritt auf einer Treppe am rechten Sprunggelenk. Im vorliegenden Urteil war der Unfallbegriff unbestritten.

Stolpern, ausgleiten, anstossen, Ausgleiten verhindern, reflexartige Abwehrhaltung

Urteil 8C_24/2022 vom 20.09.2022 E. 3.2 (Volltext): Unfallbegriff erfüllt

 

Das Merkmal des ungewöhnlichen äusseren Faktors kann unter anderem in einer unkoordinierten Bewegung bestehen. Bei Körperbewegungen gilt dabei der Grundsatz, dass das Erfordernis der äusseren Einwirkung lediglich dann erfüllt ist, wenn ein in der Aussenwelt begründeter Umstand den natürlichen Ablauf einer Körperbewegung gleichsam "programmwidrig" beeinflusst hat. Bei einer solchen unkoordinierten Bewegung ist der ungewöhnliche äussere Faktor zu bejahen; denn der äussere Faktor - Veränderung zwischen Körper und Aussenwelt - ist wegen der erwähnten Programmwidrigkeit zugleich ein ungewöhnlicher Faktor (BGE 130 V 117 E. 2.1; Urteil 8C_586/2020 E. 3.3; 8C_671/2019 E. 2.3).

 

Dies trifft beispielsweise dann zu, wenn die versicherte Person

  • stolpert, ausgleitet
  • oder an einem Gegenstand anstösst,
  • oder wenn sie, um ein Ausgleiten zu verhindern,
  • eine reflexartige Abwehrhaltung ausführt oder auszuführen versucht

(Urteile 8C_783/2013 vom 10. April 2014 E. 4.2; 8C_749/2008 vom 15. Januar 2009 E. 3.2).

Ausgewiesener Misstritt beim Treppensteigen

Urteil 8C_24/2022 vom 20.09.2022 E. 5.2 (Volltext): Unfallbegriff erfüllt

 

Desgleichen sind ein Treppensturz (Urteil 8C_40/2017 vom 11. April 2017 E. 6) wie auch ein ausgewiesener Misstritt beim Treppensteigen als ungewöhnlicher äusserer Faktor zu werten (Urteil U 236/98 vom 3. Januar 2000 E. 3b).

Beim 'Nicht richtiges Auftreten' auf der Treppe mit Partialruptur der Achillessehne

Urteil 8C_24/2022 vom 20.09.2022 E. 5.3 (Volltext): Unfallbegriff nicht erfüllt

 

Der Versicherte stieg mit etwas in der Hand eine normale, kleine Treppe hoch. Dieser Vorgang beinhaltet nichts Ungewöhnliches, selbst wenn er bloss mit dem vorderen Teil des Fusses und nicht mit der gesamten Fussfläche auf der Treppenstufe auftrat. Das Absinken der Ferse auf den tiefer liegenden Tritt sprengt den Rahmen des zu Erwartenden bei der Ausgangslage nicht und stellt kein besonderes Vorkommnis dar. Trotz aufgetretener Gesundheitsschädigung erfüllt allein die Absenkung der Ferse beim alltäglichen Treppensteigen ohne zusätzliche Programmwidrigkeit die Anforderungen an den zur Bejahung des Unfallbegriffs unabdingbaren äusseren Faktor im Sinne von Art. 4 ATSG nicht.  

 

Der Versicherte bringt nicht vor, er habe einen Tritt übersehen, das Gleichgewicht verloren oder sei ohne Untergrund ins Leere getreten. Auch macht er nicht geltend, die Treppe sei von ihrer Gestaltung her eigenartig beschaffen gewesen oder habe sich durch Umwelteinflüsse in einem besonderen Zustand (z.B. Nässe oder Vereisung) befunden.

Wegrutschen beim Absteigevorgang von einem Stepper

Urteil 8C_11/2015 vom 30.03.2015 E. 3.2 (Volltext): Unfallbegriff erfüllt

 

Auch das wiederholende Auf- und Absteigen auf eine zwischen 10 und 20 cm hohe Plattform beim Stepp-Aerobic, bei dem nicht gesprungen wird, stellt keine gesteigerte Gefahrenlage dar. Ebensowenig führt allein das blosse Be- oder Absteigen eines Steppers im Rahmen einer Aerobic-Choreographie zu einer unkontrollierbaren Bewegung. Anders wäre dies, falls der Stepper beim Absteigevorgang wegrutschen würde

Joggen mit Fehltritt

Urteil 8C_50/2012 vom 01.03.2012 E. 5.6 (Volltext): UKS erfüllt / Unfallbegriff nicht geprüft

 

Es habe sich um einen guten Naturweg gehandelt, der ab und zu Wurzeln und Unebenheiten aufgewiesen habe. Er sei während des Joggens über eine Wurzel gestolpert und habe einen Fehltritt gemacht.

 

Indessen handelt es sich beim Stolpern um ein äusseres Ereignis, das heisst um einen ausserhalb des Körpers liegenden, objektiv feststellbaren, sinnfälligen, eben unfallähnlichen Vorfall (Urteil 8C_978/2010 E. 4.2).

 

Resultat:

  • Das Bundesgericht bejahte eine UKS (bis 31.12.2016).
  • Das Bundesgericht nahm jedoch zum Unfallbegriff nicht konkret Stellung.
  • Koordination Schweiz ist der Meinung, dass auch der Unfallbegriff erfüllt ist.

Über Stein gestolpert

Urteil 8C_978/2010 vom 03.03.2011 E. 4.2 (Volltext): Keine Listenverletzung / Unfallbegriff nicht erfüllt

 

Die Versicherte stolperte beim Nordic Walking über einen Stein, in der Folge am rechten Knie Schmerzen (keine unfallähnliche Körperschädigung) verspürte und dieses anschwoll.  


Entgegen den Ausführungen im angefochtenen Entscheid erfüllt das Ereignis den Unfallbegriff gemäss Art. 4 ATSG nicht, da das reine Stolpern ohne Sturz beim sportlichen "Walken" in der freien Natur nicht als ungewöhnlich bezeichnet werden kann. Indessen handelt es sich beim Stolpern um ein äusseres Ereignis, das heisst um einen ausserhalb des Körpers liegenden, objektiv feststellbaren, sinnfälligen, eben unfallähnlichen Vorfall (vgl. BGE 129 V 466 E.2.2 S. 467 und E. 4.1 S. 469 mit Hinweis auf Urteil S. vom 27. Juni 2001 U 127/00).

 

Resultat:

  • Das Bundesgericht bejahte die Sinnfälligkeit einer UKS (bis 31.12.2016); jedoch keine Listenverletzung.
  • Das Bundesgericht verneint den Unfallberiff.
  • Koordination Schweiz ist der Meinung, dass der Unfallbegriff erfüllt ist.

Auf der Treppe Knie weggeknickt

Urteil 8C_88/2010 vom 29.06.2010 E. 4.4 (Volltext): Unfallbegriff nicht erfüllt

 

Sachverhalt: Beim Aufsetzen - ich lief die Treppe runter - mit dem rechten Fuss auf der Treppe 'rutschte' der rechte Unterschenkel weg bzw. knickte das Knie weg. Gestürzt bin ich nicht.

 

Resultat:

Mit ausführlicher Begründung hat es überzeugend dargelegt, dass die Versicherte kein ausserhalb ihres eigenen Körpers liegendes Ausrutschen, Ausgleiten oder sonst einen in der Aussenwelt begründeten Umstand, eine besondere Sinnfälligkeit oder eine relevante Programmwidrigkeit als Auslöser ihres Knieschadens beschrieben habe. Vielmehr ist das geschilderte "Wegknicken" bzw. "Wegrutschen des Unterschenkels" mit Verwaltung und Vorinstanz angesichts der schon gegen Ende 2003 zunehmend geklagten Instabilität im rechten Knie bei ausladendem und äusserst verdünntem vorderem Kreuzband als "giving way" Episode zu werten. Diese innere Ursache (vgl. BGE 134 V 72 E. 4.1.1 S. 76) der anlässlich des alltäglichen Treppensteigens aufgetretenen Gesundheitsschädigung erfüllt demnach die Anforderungen an den zur Bejahung des Unfallbegriffs bzw. der unfallähnlichen Körperschädigung vorausgesetzten äusseren Faktor nicht.

Über Trottoir-Rand abgeknickt

Urteil 8C_822/2007 vom 05.08.2008 E. 3.2 (Volltext): UKS erfüllt / Unfallbegriff nicht geprüft

 

"Bin beim Nachhausegehen auf dem Trottoir mit dem rechten Fuss abgeknickt und (habe) mir dabei die Bänder am Fussgelenk überdehnt. Hatte schon mehrmals Probleme mit den Bändern an den Fussgelenken. Seit der Kindheit." Auf Nachfrage, welche äusseren Umstände zum Ereignis führten, gab sie an: "Keine! Bin lediglich mit dem Fuss abgeknickt!"

 

3.2 Streitig ist, ob das Abknicken des Fusses während des Gehens auf dem Trottoir einen äusseren Faktor im Sinne der vorgenannten Rechtsprechung darstellt. Dem Beschwerdeführer ist zuzustimmen, dass das blosse Gehen auf dem Trottoir eine alltägliche Lebensverrichtung ist. Hier ist jedoch ein davon zu unterscheidendes äusseres Moment in Form des Abknickens infolge des Fehltritts hinzugekommen. Damit ist aber ein schädigender äusserer Faktor zu bejahen. Dabei spielt es keine Rolle, dass die Versicherte bereits seit ihrer Kindheit Probleme mit den Bändern hatte. Denn auch bei einer degenerativen oder krankheitsbedingten Vorschädigung des betroffenen Körperteils genügt es, wenn ein äusseres Ereignis im Sinne eines Auslösungsfaktors hinzutritt (BGE 129 V 466 E. 2.2 S. 467). Demnach besteht der vorinstanzliche Entscheid zu Recht.

 

Resultat:

  • Das Bundesgericht bejahte eine UKS (bis 31.12.2016).
  • Das Bundesgericht nahm zum Unfallbegriff nicht konkret Stellung.

Fehltritt beim Fussball

Urteil U 362/06 vom 04.07.2007 E. 4.2 (Volltext): UKS erfüllt / Voraussetzungen für Unfallbegriff

 

"Ich war im Lauf mit dem Ball am Fuss. Dabei muss ich wohl etwas unglücklich abgestanden sein".

 

4.2. Die beschriebene sportliche Aktivität beinhaltet somit eine Vielzahl nicht alltäglicher Bewegungen 

  • wie Ausbalancieren des Gleichgewichts, 
  • Ballkontrolle mit einem Fuss, 
  • Rennen etc., 

denen ein gewisses Gefahrenpotenzial innewohnt. Das durch die Judikatur näher umschriebene Erfordernis des äusseren schädigenden Faktors bei Änderung der Körperlage ist somit erfüllt und insgesamt auf ein 

  • unfallähnliches Ereignis 

zu erkennen. Dafür genügt es bereits, wenn sich jemand beim Versuch, vom Stand in die Laufbewegung überzugehen, verletzt (vgl. Urteil S. vom 21. November 2006 Erw. 3.2.1, U 398/06).

 

4.2.3. Insbesondere ist es im Anwendungsbereich von Art. 6 Abs. 2 UVG in Verbindung mit Art. 9 Abs. 2 UVV nicht erforderlich, dass der Betroffene 

  • einen eigentlichen Fehltritt mit einem Abknicken des Fusses/Knöchels macht, da dann bereits von einem Unfall im Rechtssinne (Art. 4 ATSG) auszugehen ist.